Konzertkritik

Konzert vom 20.10.2017 im Raatssaal

Emotionsgeladene Performance
Konzert Dietrich Henschel begeisterte bei seinem Konzert im Pinneberger Ratssaal das Publikum mit einem facettenreichen Auftritt
Pinneberger Tageblatt - 24. Oktober 2017 - von Felisa Kowalewski (Artikel/Foto)

Pianist Naaman Wagner (links) und Bariton Dietrich Henschel.

Ein Spektakel, anders kann man das, was der Bariton Dietrich Henschel am vergangenen Freitag beim Konzert des Kulturvereins Pinneberg (KVP) im Ratssaal abzog, nicht beschreiben. Er stand zwar gemeinsam mit dem Pianisten Naaman Wagner auf der Bühne, das Konzert entwickelte sich aber zur One-Man-Show. Mit einer unglaublichen Ausdruckskraft interpretierte Henschel Franz Schuberts „Winterreise“ und weitere Lieder des Komponisten vor einem fast vollen Haus.

Im Vorfeld erläuterte er kurz das Programm – etwas, was er sonst strikt ablehnt. „Wenn man vorher über das spricht und nachdenkt, was man gleich singt, dann kommt man nicht so gut rein“, sagte er im Gespräch mit unserer Zeitung. Doch von wegen: Eine kurze Phase tiefster Konzentration und Henschel ließ einen Sturm von Emotionen aufziehen. Trotzig, zornig, flehend, verzweifelt, verträumt – fast mit jedem neuen Ton schien sich die Stimmung zu wandeln. Während er den Anfang des „Lindenbaums“ entrückt-innig und fast wie Traum taumelnd vortrug, schmetterte er die kalten Worte des Liedes „Totengräbers Heimweh“ vorn übergebeugt dem Publikum quasi direkt ins Gesicht. Henschels expressives Mienenspiel reichte vom Unschuldslamm bis zum Killerblick.

Wer nun meint, dass bei dieser Show der Gesang zur Nebensache wurde, der irrt. Genauso facettenreich und wechselhaft spielte Henschel mit seiner Stimme – dröhnender Bass und fast flüsterndes Falsett, niemals unkontrolliert und immer feinfühlig phrasiert. Eines der Stücke, das das ganze Spektrum bot, war der „Frühlingstraum“: Auf engstem Raum eine zarte, schwebende Melodielinie sowie hartes Staccato und grollende Töne, die Henschel tief aus dem Boden zu heben schien. Bei diesem Kraftakt blieb am Ende nur noch eins: Der Zusammenbruch über dem Klavier.

Wagner, der Dissonanzen herausarbeitete und vor allem in Einleitung und Schluss hervortrat, wusste meist gut auf den nuancierten Gesang Henschels einzugehen. Doch gelegentlich tönte das Klavier etwas laut. Dies ist vielleicht auch der Tatsache geschuldet, dass der eigentlich vorgesehene Liedbegleiter, der Musikalische Leiter des KVP, Cord Garben, ausgefallen war. Wagner sprang kurzfristig ein – zum Glück für das beeindruckte Publikum. Genauso fasziniert wie seine Zuhörer war auch Henschel selbst vom Sound: „Für einen Ratssaal ist die Akustik unglaublich“, sagte er nach dem Konzert. „In manchen Sälen singt man wie in einen Sack, aber hier kommt richtig was zurück.“

Wer reitet so spät durch Nacht und Wind? Es ist der Vater mit seinem Kind. Mit Goethes bekanntester Ballade in der Vertonung von Carl Loewe „Der Erlkönig“ zog Daniel Barenboims Starbariton Roman Trekel das Publikum in seinen Bann. Mit artikulatorischer Präzision und der Gabe, erzählen zu können, beziehungsweise Goethes Figuren und Ereignisse zu bebildern, beeindruckte Trekel. Garben begleitete seinen langjährigen Partner farbig und präzise.
(fko)

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