Kulturverein Pinneberg kämpft um die Jugend
Hamburger Abendblatt - 15. September 2016 - von Andreas Daebeler (Artikel/Foto)

Gisela Bergner (von vorn), Monika Frömming, Eckhard Hannemann, Cord Garben und Jürgen Bergner vom Kulturverein Pinneberg

Junge Klassikfans bleiben den Konzerten fern – und dass, obwohl Schüler kostenlos lauschen dürfen. Das soll sich in Zukunft ändern.

Pinneberg. Cord Garben ist ein Pianist und Musikproduzent der Extraklasse. Den Grammy hat er ebenso im Schrank wie den deutschen Schallplattenpreis. Doch die Arbeit mit Größen wie Herbert von Karajan hat den gebürtigen Bad Homburger nicht abheben lassen. Garben trägt die Nase auf Normalhöhe, bemüht gern klare Worte, die jeder versteht. "Wir alten Knacker müssen uns endlich etwas einfallen lassen", sagt der künstlerische Leiter des Pinneberger Kulturvereins. An diesem Morgen geht es im Hause von Vereinschefin Gisela Bergner um die Zukunft des Pinneberger Vereins. Und um Jugend.

Die bleibt auch hochkarätigen Konzerten im Ratssaal der Kreisstadt fern. Und das, obwohl Schüler sogar kostenlos dabei sein können. "Derzeit sind wir froh, wenn ein oder zwei junge Zuhörer kommen", so Eckhard Hannemann, der bei Pinnebergs Kulturverein fürs Geld zuständig ist und in diesem Jahr erstmals seit Langem die Preise leicht anheben musste, um die Finanzen in der Balance halten zu können. 120 Mitglieder zahlen aktuell den Beitrag von mindestens 30 Euro pro Jahr. 111 Klassikfans haben sich ein Abo für sechs Konzerte gesichert. Zumeist sind es ältere Menschen, die abschließen. Nicht gerade zukunftsträchtig.

"Wir kommen nicht darum herum, Klassik künftig anders zu präsentieren", sagt daher Garben. Wie etwa am Freitag, 11. November. Dann ist das "vision string quartett" im Ratssaal zu Gast. Vier Musiker, die Showelemente und moderne Kompositionen aus Jazz und Pop einbinden. "Dürfte das letzte Mal sein, dass wir die bezahlen können", sagt Garben, der pro Konzertabend einen Etat von gerade mal etwa 2000 Euro zur Verfügung hat. "Die Leute werden vor Begeisterung auf der Stuhlkante sitzen."

Nur weil Garben sich seit vielen Jahren um die Konzerte des Kulturvereins in der Kreisstadt kümmert, spielen und singen zuweilen Weltstars vor den Toren Hamburgs. Der 73-Jährige kann auf vielfältige Kontakte in der Musikszene zurückgreifen. Zu verdanken hat der Kulturverein dieses Pfund seinem Ex-Vorsitzenden Fritz Garben, dem Bruder des Musikers. Angefangen hatte alles, weil Fritz seinen Bruder immer mal wieder fragte, was von dem einem oder anderen Künstler zu halten sei. Irgendwann war Cord dann ganz eingespannt. "Und ja, es macht noch immer Spaß", sagt der Pianist, der auch die beliebten Neujahrskonzerte im Cap Polonio leitet. "Sonst würde ich das nicht mehr machen."

Doch zurück zur Frage, wie junge Menschen für Klassik begeistert werden können. Gisela Bergner setzt auf einen moderneren Internetauftritt des Vereins. "Wir haben auch Kontakt zu Schulen aufgenommen, doch es gab kaum Reaktionen", sagt ein ob dieser Nichtbeachtung sichtlich enttäuschter Garben. "Pinneberg ist sich der im Ratssaal gebotenen Qualität noch gar nicht bewusst", vermutet Monika Frömming, die im Vorstand des Kulturvereins mitarbeitet.

Dabei bekomme, wer sich lieber in die nahe Hansestadt aufmacht, um Künstler etwa in der Musikhalle zu sehen, laut Garben nicht unbedingt mehr für definitiv mehr Geld. "Der Pinneberg Ratssaal verfügt über eine sensationelle Akustik, dort könnten sogar Platten aufgenommen werden". Auf zeitgenössische Musik muss der künstlerische Leiter zu seinem Ärger übrigens verzichten, denn bei Stücken, deren Komponisten nicht mindestens 70 Jahre tot sind, langt die Gema zu. "Da werden dann für acht Minuten mal 150 Euro fällig", sagt der 73-Jährige. Junge Künstler kämen nicht zum Zuge, hätten keine Chance, bekannt zu werden. Garben findet wieder deutliche Worte: "Die Praxis der Gema ist für mich ein sozialer Skandal."

Im Februar 2017 wird Pinnebergs Kulturverein 30 Jahre alt. Im Programm werden auch diesmal verschiedene Vorlieben bedient. So kommen nach dem Auftakt mit einem Dante-Abend an diesem Freitag am Freitag, 14. Oktober, Freunde des Klaviermusik auf ihre Kosten, Walzerklänge schallen am Freitag, 27. Januar, durch den Pinneberger Ratssaal. Für das Geburtstagskonzert am Freitag, 24. Februar, wird Garben viele Künstler einladen, die schon einmal im Ratssaal zu Gast waren. Zum Abschluss der Saison ist für Freitag, 17. März, ein Liederabend mit Werken von Franz Schubert geplant. Alle Konzerte beginnen um 20 Uhr. Wer kein Abo sein Eigen nennt, zahlt 18 Euro pro Konzert.

Und was wird aus dem Kulturverein in der Kreisstadt, wenn Cord Garben irgendwann mal nicht mehr am Programm tüfteln kann? "Für diesen Tag müssen andere schon jetzt Kontakte aufbauen", sagt der künstlerische Leiter. Leicht wird das sicher nicht.

Zurück